Kollaboratives Arbeiten
Durch die Digitalisierung befindet sich das Berufsbild des Architekten in einem umfassenden Wandlungsprozess, der sich grundlegend auf die Organisation der Arbeitsabläufe auswirkt. Häufig hört man das Schlagwort des kollaborativen Arbeitens – doch was steckt eigentlich dahinter?
Zunächst bedeutet Kollaboration (abgeleitet vom lateinischen collaboratio) schlicht Zusammenarbeit. Kollaboratives Arbeiten ermöglicht, dass Aufgaben innerhalb eines Teams mit identischen Arbeitsmitteln gleichzeitig oder abwechselnd bewältigt werden können. Dies erfordert einen kontinuierlichen Austausch der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über die Ziele, Inhalte und Ergebnisse ihrer Arbeit.
Die Vorteile liegen auf der Hand: Auf Lastspitzen in der Einsatzplanung und auf neue Anforderungen kann flexibel reagiert werden. Dies ist insbesondere für die Gebäudeplanung zentral, bei der es sich um eine klassische Prototypenentwicklung mit einer potentiell unendlichen Zahl möglicher Lösungswege handelt. Kollaboratives Arbeiten verbessert nicht nur die Koordination über alle Projektphasen hinweg, sondern erhöht auch die Motivation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, indem sie gemeinsam Verantwortung für ein Projekt übernehmen und ihr jeweiliger Beitrag auch für sie selbst besser erfahrbar wird.
Diese neue Form des Arbeitens, die ursprünglich aus der Softwareentwicklung stammt und durch neue Methoden wie etwa der Scrum-Methode befördert wurde, unterscheidet sich jedoch grundlegend von konventioneller Teamarbeit, bei der zwar ein gemeinsames Arbeitsziel verfolgt, die Aufgaben aber in arbeitsteiliger Weise parallel bearbeitet werden.
Innovative Managementmethode in der Architekturbranche
Generell lässt sich beobachten, dass der gegenwärtige Bauboom zu immer knapperen Terminketten sowie – in Verbindung mit den rasant gestiegenen Grundstücks- und Baupreisen – zu engeren finanziellen Budgets geführt hat. Zusätzlich verstärkt durch den angespannten Arbeitsmarkt stehen Planungsbüros vor der Herausforderung, größere Projektvolumen mit ihrer Stammbelegschaft zu bewältigen.
Ein Ausweg aus diesem Dilemma ist die Steigerung der Effizienz durch digitale Planungswerkzeuge. Diese bieten einerseits neue technische Möglichkeiten, erfordern aber zugleich ein radikales Neu-Denken der eigenen Methoden und Arbeitsabläufe – ganz im Sinne der immer wieder als disruptiv beschriebenen Eigenschaften der Digitalisierung. Mehr als jedes andere Werkzeug macht das Building Information Modeling (BIM) als neue Planungsmethode einen solchen Umbruch in der Architektur und Planung erforderlich.
BIM wird dabei häufig auf das bloße Ergebnis – das eigentliche Gebäude-Datenmodell – reduziert und übersehen, dass sich diese Methode neben der Technik vor allem auf eine Reihe von Prozessen stützt, die gewissenhafter und bewusster Vorbereitung bedürfen. Somit erhält das Thema Projektmanagement durch den technologischen Wandel zusätzliche Bedeutung und verändert zusammen mit den neuen Werkzeugen die Planungsabläufe.
Agiles Arbeiten mit BIM
Wie geschieht dies konkret? Und über welche Schnittstellen wirkt es in die Planungsbüros hinein? Statt interdisziplinärer Zusammenarbeit wurde bisher zumeist nebeneinander, mitunter sogar gegeneinander, gearbeitet. Auf der Basis zuvor vereinbarter Meilensteine wurden die fertigen Stände der Objektplanung an die Fachplaner übergeben – ohne die komplexen Auswirkungen auf andere Disziplinen wirklich erfassen zu können.
Zeitlich und inhaltlich divergierende Planungen und daraus resultierende Probleme auf der Baustelle waren die Folge. Anders in einem BIM-Projekt: Hier werden zunächst die Bedingungen der Zusammenarbeit präzise definiert und anschließend die Prozesse und die einzelnen Abgabeschritte mit den erforderlichen Informations- und Modellierungstiefen bis hin zu den inhaltlichen Anforderungen abgestimmt. So wissen alle Beteiligten, was sie selbst und was andere zu welchem Zeitpunkt leisten müssen. Durch entsprechend ausgestaltete Planerverträge wird der Prozess abgesichert, sodass auch vertraglich ein Team entsteht.
Um das Ziel einer ständigen Zusammenführung und Überprüfung der Teilmodelle erreichen zu können, müssen die Arbeitsstände in einer hohen Frequenz – etwa alle zwei Wochen – zusammengeführt werden, und zwar unabhängig davon, ob sie „fertig“ sind. Es geht vielmehr um das möglichst häufige Zusammenführen der Planungsergebnisse in der Gesamtplanung und ihre Überprüfung auf inhaltliche Richtigkeit sowie Differenzen und Kollisionen mithilfe einer speziellen Software.
Sämtliche erkannten Aufgaben und Probleme werden nun in einem standardisierten und offenen Dateiformat, dem BIM Collaboration Format (sic), festgehalten. In diesem Format sind nicht nur die Adressen der beteiligten Bauteile, der Bearbeitungsstatus, die Zuweisung zu einem Verantwortlichen und das Abgabedatum festgehalten, sondern es ermöglicht auch die direkte Kommunikation der Beteiligten von der Problemlösung bis zur Freigabe (idealerweise für alle über einen Cloud-Server aufrufbar).
Durch Anbindung der CAD-Software an den Issue-Server kann jeder die eigenen Aufgaben direkt aus seiner Arbeitsumgebung abrufen und die betroffenen Bauteile sehen – das Modell wird also selbst zu einem Kommunikationsmittel und dokumentiert Aufgaben, Bearbeitungsstatus und Lösungen für alle. Daneben sind zweiwöchentliche Teambesprechungen mit allen Beteiligten zu offenen Aufgaben, Zuständigkeiten und Zwischenzielen ein wichtiges Instrument, um die Planung durch enge Abstimmung effizient zu gestalten.
Die menschlichen Hürden für diese neue und oft ungewohnte Form des Zusammenarbeitens sind meist sogar höher als die technischen Herausforderungen. Daher bedarf es immer auch zusätzlicher Maßnahmen zum Teambuilding und vor allem eine Moderation des gesamten Prozesses. Durch das gemeinsame Arbeiten an einem Planungsmodell werden unserer Erfahrung nach jedoch die Diskussionen versachlicht.
Die Aufgaben, Anforderungen und Prozesse des übergeordneten Projektablaufs spiegeln sich im Kleinen innerhalb der einzelnen Büros, für die sich hierdurch Chancen zur Implementierung der Neuerungen im eigenen Büro ergeben. Während die Teams im klassischen CAD (nicht selten sogar noch in 2D) noch immer nebeneinander her planen, können sie via serverbasierter Teamwork-Lösungen nun wirklich gemeinsam in einem Modell zusammenarbeiten.
Kollaboratives Arbeiten mit BIM
Als Architekturbüro haben wir mittlerweile mehrere Projekte in Arbeitsgemeinschaften mit anderen Büros realisiert und hierbei die Erfahrung gemacht, dass kollaboratives BIM-basiertes Arbeiten auch über weite Entfernungen sehr gut funktionieren kann. Neben dem physischen Standort in Berlin oder Frankfurt erhält jedes Büro sozusagen einen eigenen virtuellen Standort in der gemeinsamen Arbeitsumgebung der Cloud.
Weitere digitale Werkzeuge, wie beispielsweise Kanban-Boards, unterstützen die Selbstorganisation der Teams, deren Rollenzuweisung flexibler wird. Die Funktion des Projektleiters verschiebt sich mehr und mehr vom Vorgesetzten hin zum Moderator und Coach. Während die Organisation der Aufgaben gemeinschaftlich erfolgt, besteht seine Aufgabe vor allem darin, das Team zusammenzuhalten und auf das Ziel zu fokussieren – die Technik fungiert hier als Impulsgeber und Katalysator.
Um seine volle Wirkung entfalten zu können, muss kollaboratives Arbeiten neben der extern getriebenen Entwicklung integraler Bestandteil der eigenen Firmenstrategie sein und die Methode in den Teams entwickelt und „gelebt“ werden. Neben dem Gewinn an Effektivität, Planungsqualität und Motivation kann kollaboratives Arbeiten auch ein entscheidender Pluspunkt bei der Akquise neuer Mitarbeiter sein.
Über die (technische) Verknüpfung von interner Teamorganisation und Issue-Management sehen wir zukünftig erweiterte Organisationsmöglichkeiten zur engeren Vernetzung interdisziplinärer Planerteams mit den einzelnen Büros. Daraus ergeben sich entscheidende Wettbewerbsvorteile gerade für diejenigen Büros, denen die erfolgreiche Transformation in einem durch die Digitalisierung umgewälzten Markt gelingt.
Erschienen in DBZ – Deutsche Bauzeitschrift, 1/2020