Position
db fragt nach

Schwerpunkt: Energetisch Sanieren

von Stefan Forster

In der Rubrik „db fragt nach“ erkundigte sich die Deutsche Bauzeitung nach den größten Schwierigkeiten bei der energetischen Sanierung.

Die Energieeinsparung und die energetische Sanierung sind seit einigen Jahren Dauerthema bei Tagungen für Architekten, »Denkmalschutz versus Klimaschutz« dabei die gern verwendete und zwischenzeitlich ausgediente Parole. Wir versuchten herauszufiltern, was vielleicht noch im Verborgenen liegt, was dringend oder vermehrt diskutiert werden muss. wo die Meinungen auseinanderdriften und wo Übereinstimmung herrscht – und schickten aus diesem Grund fünf in der Sanierung erfahrenen Architekten, den Präsidenten der Bundesarchitektenkammer und der Vereinigung freischaffender Architekten sowie der dena drei Fragen:

  1. Wo liegen Ihrer Meinung nach die größten Schwierigkeiten bei der energetischen Sanierung?
  2. Was ist DAS große Thema bei der energetischen Sanierung?
  3. Was muss sich als Erstes ändern?

Auch wenn die Schwerpunkte in den Antworten meist unterschiedlich gesetzt wurden, zeigt die Sammlung Übereinstimmungen. benennt zu Recht beanstandete Unverhältnismäßigkeiten und zeigt Möglichkeiten bis hin zur Idee einer Abrissgebühr bzw. eines Gebäude-Erhaltungsfonds auf. Die Diskussion zum Thema Energetisch Sanieren sollte folglich nicht enden, aber sie muss sich anderer Schlagworte bedienen und v.a. mit jenen in unserer Gesellschaft geführt werden, die mit in der Verantwortung stehen. Brauchen wir daher vielleicht in naher Zukunft doch ein übergeordnetes Energieministerium, das alle Belange bündelt. Vorschläge ohne den Einfluss von Lobbyisten auf ihre Machbarkeit prüft und über wechselnde Regierungsparteien hinweg umsetzen kann?

Stefan Forster,
Architekt in Frankfurt a. M.:

  1. Durch die EnEV und die deutsche Förderlandschaft hat sich in unserem Lande ein wahrer Boom in der energetischen Sanierung entwickelt, der in den letzten Jahren zu teilweise städtebaulich, baukünstlerisch und wohnungspolitisch falschen Entwicklungen geführt hat. Wo man auch hinschaut, werden Häuser zugeklebt. Eine genauere Differenzierung der Maßnahmen fehlt. Oftmals ist eine umfängliche energetische Sanierung weder ökologisch, ökonomisch, städtebaulich, noch wohnungspolitisch sinnvoll. Es fehlt eine gesamtheitliche übergeordnete Betrachtung.
  2. Das bedeutet, dass man z.B. Gründerzeitbauten völlig einpackt, dass Sandsteingewände und Fensterbänke verschwinden und durch banale Alu-Fensterbänke ersetzt werden. Unser historisches Stadtbild wird durch Pappfassaden ersetzt – ein kultureller Verlust. Auf der anderen Seite werden wahllos städtebaulich fragwürdige und grundrisstechnisch schlechte 50er-Jahre-Gebäude hochgerüstet. Bei allen Maßnahmen muss man sich immer die Frage des Primärenergieeinsatzes stellen, dieser muss zum Bewertungsmaßstab werden. Polystyrol besteht zu über 90 % aus Öl. Hatten die energetischen Sanierungen nicht ursprünglich den Sinn, den Primärenergieeinsatz zu reduzieren?
  3. Bei allen Fördergeldbewilligungen muss es zu einer übergeordneten Betrachtungsweise und somit zur Kontrolle der Maßnahmen kommen. Spezifisch für das zu sanierende Objekt muss die Sinnfälligkeit der zu fördernden Einzelmaßnahmen überprüft werden. Hierbei sollte unbedingt davon abgesehen werden, einen vorgegebenen Richtwert zu erreichen. Bei einem Gründerzeitgebäude reicht es z. B. vielleicht schon, wenn man Keller- und Dachdecke dämmt und die Anlagetechnik erneuert. Bei einem 50er- oder 60er-Jahre-Bau kann es oftmals besser sein, ihn zu ersetzen, weil man durch Neubau eine höhere Verdichtung und zeitgemäße Grundrisse erhält.

Erschienen in db – deutsche bauzeitung, 11/2012