Position
Wohnen in der Stadt

Stefan Forster an Louis…

von Stefan Forster

In der Rubrik „Brief an Louis…“ setzt sich Stefan Forster mit der aktuellen Krise der Bauwirtschaft und der Rolle des Wohnungsbaus auseinander. 

Lieber Louis…

... auch mich beschäftigt die Krise, obwohl ich davon eigentlich nicht so sehr betroffen bin. Ich will dir auch sagen, warum. Ich mache wertigen, grundsoliden Wohnungsbau – und das schon seit Jahren. Dafür bin ich das eine oder andere Mal schon belächelt worden, weil Kreativität hier scheinbar nur eine Nebenrolle spielt.

Nun aber scheinen die Zeiten vorbei zu sein, in denen Architekten für größenwahnsinnige Finanzjongleure „kreativ" haben arbeiten können. Jetzt folgt eine Zeit der Bescheidenheit und hoffentlich der Besinnung. Die Besinnung auf unsere ureigenste Bautradition. Plötzlich wird der Ruf nach dem so lange vernachlässigten Wohnungsbau wieder laut, ein Feld, das vornehmlich Billigbauträgern vorbehalten war.

Sie überboten sich damit, wer noch billiger bauen könne, im Gegensatz zu den oben genannten Prestigebauten, wo man gerne mit dem hohen Preis kokettierte. Architekten stören nur, da sie in der Regel Ansprüche formulieren, die zu teuer sind. In der Krise liegt nun die Chance, wieder auf die wahren Werte unserer Baukultur zurückzukommen. Ich bin fest davon überzeugt, dass die Vergänglichkeit von fiktiven Geldmengen in den Wunsch nach bleibenden Werten umschlägt, die Solidität und Beständigkeit ausdrücken.

Dem Wohnungsbau, der entscheidenden Einfluss auf unsere Lebensqualität hat, fällt hier eine Schlüsselrolle zu. Wir haben die Aufgabe, mit unserer Architektur den Anschluss an unsere Bautradition wieder herzustellen. Dabei müssen wir uns bewusst machen, dass eine hochwertige Straßenfassade eines Wohnhauses in der Stadt, etwa mit Stein oder Klinker verkleidet, einen kulturellen Wert darstellt. Oualitätsvoller Wohnungsbau ist ein Beitrag zu unserem kollektiven Gedächtnis. Dabei wird sich die Erkenntnis durchsetzen müssen, dass dafür wieder mehr Geld ausgegeben werden muss. Eine Steinfassade kostet nun mal mehr als eine Thermohautfassade, dafür erhält man dann auch etwas „Nachhaltiges“ – der Begriff muss heute in jedem Traktat mindestens einmal vorkommen.

Wir sollten endlich wieder schöne, normale und haltbare Wohnhäuser bauen. In diesem Sinne. Stefan Forster, Architekt

Erschienen in LOUIS, 1/2009